Die Engel, um die es geht, sind Kinder und jugendliche Tänzer der privaten Apsara-Tanzschule in Phnom Penh, Kambodscha. Einige von ihnen sind hilfsbedürftige Waisen oder Halbwaisen, die Räume unter der Bühne sind ihr Zuhause. Das tägliche, schwierige Training für die historischen Apsara-Tänze strukturiert ihren Tagesablauf - und, es bewahrt sie vor einem Leben auf der Straße. Dort würden sie noch tiefer ins Elend stürzen, als es ihnen durch ihre Armut vorbestimmt ist.

 

Tanz ist ihr Leben - aber das Leben ist kein Tanz

 

Bildung ist der einzige Ausweg in eine selbstbestimmte, chancenreiche Zukunft, aber die muss bezahlt werden. Da die Kinder nicht ein Leben lang tanzen können, sondern einen Beruf brauchen, gründete der Hamburger Autor und Filmemacher Jochen Voigt vor sechs Jahren die zunächst private Bildungsinitiative Engel brauchen Flügel für den Start ins Leben. Nach seiner NDR-Radiosendung Kinder der Freiheit über die Apsara-Tänzer in Kambodscha und einem Kapitel in seinem Reisebuch Zeit für den Mekong, fragten etliche Hörer und Leser, wie sie den Kindern helfen können. Deshalb wurde Ende 2012 aus seiner Initiative der Verein Engel brauchen Flügel für den Start ins Leben e.V. gegründet

 

Hörer und Leser werden Schutzengel

 

Sieben Gründungsmitglieder und Spender der ersten Stunde haben sich kurz- und langfristige Ziele für die Zukunft der Apsara-Kinder gesetzt. Mit Kraft, Mut und Vertrauen, wie die mystische Figur Hanuman, der Affenkönig in Menschengestalt, wollen sie den Kindern eine bessere Schulbildung organisieren, die Renovierung der Schlaf- und Aufenthaltsräume, der Sanitäranlagen, und die medizinische Versorgung. Die Bauarbeiten hat der Verein bereits in den ersten Monaten nach der Gründung begonnen. Auch den Nachilfeunterricht in besseren Schulen, dort lernen die kleinen Tänzer/-innen begeistert Englisch. Außerdem werden regelmäßig neue Kleidung und passende Schuhe gekauft. Insgesamt galt und gilt die Unterstützung durch den Verein auch dem familiengeführten Theaterbetrieb.



 Engel im Sturzflug

 

Als ein Sponsor aus den USA im letzten Jahr seine Unterstützung für das Apsara-Theater plötzlich aufgeben musste, war der amerikanische Traum für die Tanzkinder erst einmal zu Ende. Die Familie hatte gute Ideen wie es weitergehen könnte, aber weder das Know-How noch das Geld um alles allein zu schaffen. Auch die Zwiegespräche mit den Ahnen in der Pagode brachten keine Hilfe. Trotz Räucherstäbchen und Morgenmantra begann der Sturzflug der himmlischen Tänzer von Kambodscha langsam aber unaufhaltsam - Absturz oder Bruchlandung war ihnen sicher.


Schutzengel greifen ein, Rettungsfallschirme für die Apsaras

 

Aber dann greifen Schutzengel mit ihren Rettungsfallschirmen ein. Die Rudolf-Augstein-Stiftung spendet, die Schlaf- und Aufenthaltsräume können zu Ende gebaut werden. ICS, ein Reiseunternehmen in München, spendet und schafft Kontakte zur Zeitschrift InAsien, die Redaktion veröffentlicht einen tollen Artikel im Editorial. Neue, private Spender kommen hinzu und – last but not least – der Deutsche Botschafter in Kambodscha, Dr. Wolfgang Moser, hilft schnell mit einem Miniprojekt. Insgesamt wurde es nach Monaten der Angst doch noch eine sanfte Bruchlandung. Die Freunde, Spender und Sponsoren des Vereins konnten im letzten Moment verhindern, dass der letzte Vorhang auf der kleinen Tanzbühne fällt.





"Der Apsara Tanz", sagen die Khmer, "ist die Seele, die Identität unseres Volkes."


Die himmlischen Tänzer von Kambodscha

 

Der Apsara-Tanz ist ein traditioneller Tanz, der sich am Königshof in Angkor entwickelt hat. An vielen Wänden der 900-jährigen Tempelstadt finden sich noch heute filigrane Reliefdarstellungen von Apsaras, die auf Lotosblüten tanzen. Ihr Name bedeutet „Wasserwandlerinnen“. Die Apsaras galten als Mittlerinnen zwischen Himmel und Erde und hatten einen göttlichen Status. Der Apsaratanz“, sagen die Khmer, „ist die Seele, die Identität unseres Volkes.“ Diese Kunst gab den Menschen Selbstbewusstsein, Stolz und Würde – bis die Roten Khmer 1975 Kambodscha in Schutt und Asche legten – die Apsara-Tänzer gehörten zu ihren ersten Opfern. Sie galten als Beweis für ein dekadentes Feudalregime, das, nach der Ideologie der Roten Khmer, mit seiner Kultur zerstört werden musste. Von etwa 3000 Tänzern, Musikanten und Künstlern überlebten nur wenige. Eine davon ist Vong Metry, die Gründerin des kleinen Tanztheaters.

Die Gesten der Apsaras bescheiben den Kreislauf des Leben - pflanzen - pflegen - ernten - mit dem festen Glauben an einen Neubeginn
Die Gesten der Apsaras bescheiben den Kreislauf des Leben - pflanzen - pflegen - ernten - mit dem festen Glauben an einen Neubeginn

„Neben mir der Tod, vor mir die Hoffnung“


Überleben im Reisfeld - Flucht vor den Roten Khmer

 

Vong Metry, die 20-jährige Primaballerina des königlichen Balletts, kann den Häschern des Pol-Pot-Regimes entfliehen. Auf ihrer dreijährigen Flucht schminkt sich die wunderschöne Frau zur alten Reisbäuerin – die Kunst der Verwandlung, die sie für die Apsaratänze gelernt hat, rettet ihr das Leben. Weil sie überlebt, legt sie ein Gelübde ab: Nach dem Krieg will sie der jungen Generation, den Kindern der Freiheit, die Apsaraskultur ihrer Ahnen zurückgeben. Mit drei überlebenden Tänzerinnen erweckt sie in einem alten Schuppen den Apsaratanz wieder zum Leben. Sie übt Tanzschritte, Gesten und Bewegungen, die ein ganzes Volk aus der Lähmung des Entsetzens herausführt - und gibt ihm damit seine Seele zurück.


Sanfte Landung mit Verspätung - Fotostory von der letzten Kambodschareise


Die Nahziele sind jetzt, trotz Verspätung, erreicht. Es hat sich gelohnt, noch einmal mit vereinten Kräften an die Fertigstellung der Schlaf- und Ruheräume ranzugehen. Das war aber nur möglich durch tatkräftigen Einsatz vor Ort in Phnom Penh und Sonderspenden von Mitgliedern und Spendern. Die Situation in dem Apsara-Tanztheater hat sich dadurch entspannt. Nach dem Sturzflug geht es den Kindern wieder prima und dem Theater langsam besser. Die Einrichtung ist komplett. Als letzte Sachspende kam noch eine tolle Samsung Waschmaschine von Ronnie, einem herrlich schrägen, herzensguten Typ aus Australien. Jetzt kann Huen, die freundliche Nanny, waschen ohne Ende. Die Kosten für Strom und Wasser übernimmt Arno, ein Betterplace-Spender aus Berlin. Leakhena, die 17-jährige Tanzlehrerin, unterrichtet die Kinder wieder täglich, sie schläft bei den Kindern und bekommt Unterhalt. Zur Zeit versorgt der Verein sieben Resident-Children aus dem Ensemble, maximal zehn Kinder können betreut werden. 

 

                                               Ein ganz herzliches Dankeschön allen Spendern!

 

Sie kamen zur rechten Zeit und haben den Sturzflug der Engel verhindert - aber es ist auch eine große Verantwortung für die Zukunft entstanden. Ohne weitere Hilfe kann die Tanzfamilie die Kinder nicht versorgen. Um den Neustart des Ensembles für die nächste Zeit zu sichern, bittet der Verein Engel brauchen Flügel für den Start ins Leben e.V. ganz herzlich um weitere und zusätzliche Unterstützung für die Kinder.

 


NDR - Zwischen Hamburg und Haiti

Die Kinder der Freiheit - Im Apsara Tanztheater von Phnom Penh

Download
Sendung von Jochen Voigt
Kambodscha_Kinder-der-freiheit.mp3
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